Meinung: Istanbul


Es ist viel los auf dem Markt in »Istanbul«. Viele Stände sind aufgebaut und die Händler strömen mit ihren Gehilfen durch die Gassen. Da ist es nicht leicht, sind im Labyrinth der Marktstände und Möglichkeiten zurecht zu finden und möglichst schnell und effizient seine Geschäfte abzuwickeln.

Aber gerade Schnelligkeit und Effizienz sind sehr wichtig in diesem Lauf- und Handelsspiel. Jeder Spieler versucht als Händler, möglichst schnell an 5 (bzw. im Zweierspiel an 6) der begehrten Rubine zu gelangen. Dazu ist der Händler ständig unterwegs und verteilt Aufgaben an seine Gehilfen.

Jeder Schritt ist dabei wichtig, denn das Spiel ist relativ schnell vorbei. Was lohnt sich am meisten? Schnell des Handkarren ausbauen, um möglichst viel Ware auf einmal ein- und verkaufen zu können? Möglichst schnell in den Moscheen neue Fähigkeiten erlangen? Oder als erster direkt Rubine für Geld oder Waren zu kaufen, solange sie noch halbwegs günstig sind?

Durch einen variablen Aufbau des Spielplans, der aus 16 Teilen besteht, verschieben sich die Möglichkeiten mit jeder Partie etwas. Dazu kommen die Interaktion der Spieler unter­einander (vor allem aufgrund der Kosten bei Begegnungen), eine kleine Prise Zufall auf einigen der Spielplanfelder und zwei sich zufällig bewegte Personen, die kleine Vorteile bringen: der Gouvernour und der Schmuggler.

Alles in allem eine Menge an Möglichkeiten und entsprechend viele Regeln. Trotz der sehr gut gemachten Symbolik ist der Einstieg somit nicht ganz einfach – die vielen Optionen erschlagen den Einsteiger geradezu, und häufig endet die erste Partie für unerfahrene Spieler mit einem niederschmetternden Ergebnis.

Aber schnell merkt man, dass es vor allem darauf ankommt, den Plan zu „lesen“ und sich einen Weg zu suchen, der optimal funktioniert und möglichst ohne Schnittpunkte mit den Wegen der Mitspieler auskommt. Damit ist es für viele ein durchaus reizvolles Spiel.

Mich stören vor allem zwei Dinge an »Istanbul«: Zum einen die Tatsache, dass es mit „nur“ 5 Rubinen, die man zum Sieg braucht, viel zu grob bewertet und für die gebotenen Möglichkeiten eigentlich zu kurz ist. Zum anderen das Gefühl, dass man häufig schon zur Hälfte des Spiels weiß, wer gewinnen wird oder wer nicht.

Beides führt dazu, dass ich es ab und an durchaus mal mitspiele, aber selbst nicht mehr vorschlage. Nicht, weil es ein schlechtes Spiel wäre, sondern weil es mich nicht (mehr) reizt. Es liegt in jeder Hinsicht (Anspruch, Spieldauer, Möglichkeiten) genau in der Mitte und fällt somit aus meinem Raster. Entweder ich habe genug Zeit, dann spiele ich lieber ein »Concordia«, »Magister Navis« oder »Notre Dame«, oder die Zeit ist knapp, dann lieber ein »Las Vegas« oder »Love Letter«

2–5 Spieler, Spieldauer 45–60 Minuten.

Fazit: Irgendwo zwischen Familien- und Kennerspiel. Gelegentlich reizvoll.

Stefan Malz, 19. September 2014 (#163)
 

Autor:
Rüdiger Dorn

Illustration:
Andreas Resch

Verlag:
Pegasus

Erscheinungsjahr:
2014